Kommunalrecht für Ratsmitglieder, Ausschussvorsitzende, Ortsbürgermeister

Kompakt von 10:00 bis 14:00 Uhr erhalten Sie von Herrn Thiele das notwendige kommunalrechtliche Rüstzeug, um als Ratsmitglied, Ausschussvorsitzender oder Ortsbürgermeister sicher auftreten zu können: Von der Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung, der Rechte und Pflichten der Ratsmitglieder, der Fraktionen, Arten der Beschlüsse bis hin zu wichtigen Protokollfragen reicht die Themenpalette.

Die Teilnehmerzahl ist auf 20 Personen begrenzt, um einen intensiven Austausch unter Kolleginnen und Kollegen zu ermöglichen.

Beschreibung

Zielgruppe:

Ratsfrauen und Ratsmänner

   

Referent:

MDir. a.D. Robert Thiele

   

Themen:

 

Garantie der kommunalen Selbstverwaltung

 -        enthalten in Art. 28 Abs. 2  GG, 57 Abs. 1 NV

Begriff der Selbstverwaltung: Erledigung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze (d. h. soweit nicht etwas anderes gesetzlich bestimmt ist)  durch die Gemeinde, d. h. die Bürger,  deren Angelegenheiten das sind und die davon betroffen sind, in eigener Verantwortung.

Deshalb bedeutete es einen Widerspruch, Bürger wegen einer Betroffenheit von der Erledigung auszuschließen. Das ist der wesentliche Grund dafür, dass sich der niedersächsische Gesetzgeber 1996 entschlossen hat, das Mitwirkungsverbot (§ 41 NKomVG) radikal einzuschränken; außerdem: Sachgerechte Abwägung zwischen der Gewährleistung der Sauberkeit der Verwaltung und dem Auftrag der gewählten Abgeordneten zur Teilnahme an der Verwaltung ihrer Kommune, die bei Einführung des Mitwirkungsverbots durch die national-sozialistische Gesetzgebung (Deutsche Gemeindeordnung, DGO) 1933/1935 nicht notwendig war, weil der Rat keine Entscheidungszuständigkeiten hatte, sondern nur der Bürgermeister (Führerprinzip!), und die englische Besatzungsmacht bei der „Ausmerzung national-sozialistischen Gedankenguts aus der DGO“ das Mitwirkungsverbot nicht überprüft haben

-        Organisation der Selbstverwaltung enthalten im NKomVG

Organe der Kommunen als Träger der kommunalen Selbstverwaltung

-        Vertretung, Hauptausschuss, HVB (Definition: § 7 NKomVG) als die regelmäßigen Entscheidungsträger;

-        Daneben möglich: Beschließende Ausschüsse anstelle des Hauptausschusses (§ 76 Abs. 3 NKomVG)

-        Organähnliche Stellung: Ortsräte mit Entscheidungszuständigkeiten (§ 93 Abs. 1 NKomVG)

Zuständigkeit der Organe

Für Entscheidungen

-        Vertretung ausschließlich (§ 58 Abs. 1 und 2 NKomVG) und weitere gesetzlich ausdrücklich genannte Zuständigkeiten (z. B. personalrechtliche, § 81 Abs. 2 und 3 NKomVG: Bestellung der Vertretung des HVB, § 107 Abs. 4 NKomVG: Ernennung, Entlassung und Versetzung der Beamten; Annahme von Zuwendungen, § 111 Abs. 7 NKomVG, § 25a GemHKVO)

-        Hauptausschuss Lückenzuständigkeit zwischen Zuständigkeit der Vertretung und des Ortsrats und der des HVB (§ 76 Abs. 2 NKomVG) und weitere gesetzlich besonders genannte (z. B. personalrechtliche, § 107 Abs. 4  NKomVG: Einstellung, Eingruppierung, Entlassung der Arbeitnehmer; § 8 Abs. 2 NKomVG: Bestellung einer ständigen Vertreterin der Gleichstellungsbeauftragten; § 32 Abs. 6 NKomVG: Zulässigkeit des Bürgerbegehrens

-        HVB für die Gegenstände des § 85 Abs. 1 NKomVG, insbes. Geschäfte der laufenden Verwaltung, das sind solche, die wegen ihrer Regelmäßigkeit und Häufigkeit („laufend“) zu den herkömmlichen Aufgaben der Verwaltung der Verwaltung gehören, nach feststehenden Grundsätzen in eingefahrenen Geleisen wahrgenommen werden und keine weittragende Bedeutung entfalten

-        Vorbehaltsrecht der Vertretung gegenüber Hauptausschuss und HVB und Hauptausschuss gegenüber HVB (§§ 58 Abs. 3, 76 Abs. 2 NKomVG)

Für interne Kontrolle

 -   Vertretung über die Verwaltung (§ 58 Abs. 4 NKomVG),  weshalb für das Begehren auf Akteneinsicht ein plausibler Kontrollzweck anzugeben ist; Akteneinsicht ist nach NdsOVG kein Instrument der Information

-     HVB über die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse  der anderen          Organe (§ 88 NKomVG)

Für Information

-        HVB gegenüber Vertretung, Hauptausschuss, beschließendem Ausschuss, Ortsrat über wichtige Angelegenheiten (§ 85 Abs. 4 NKomVG) und gegenüber den Einwohnern (§ 85  Abs. 5 NKomVG)

gegenüber den Abgeordneten (als deren ungeschriebenes Mitgliedschaftsrecht über Angelegenheiten der TO (§ 60 NKomVG) und auf deren Verlangen über alle Angelegenheiten der Kommune (§ 56 Satz 2 NKomVG)

-        Nachrichtlich: § 138 Abs. 4 NKomVG (Vertreter der Kommune und von ihr in einen Aufsichtsrat Entsandte über wichtige Angelegenheiten der Gesellschaft gegenüber der Vertretung)
-    Problem der Gleichbehandlung aller Abgeordneten bei Runden des HVB mit Fraktionsvorsitzenden

 Repräsentative und Außenvertretung

 -        der Kommune: HVB (§ 86 Abs. 1 NKomVG), Vertretung in der Repräsentation durch ehrenamtliche Vertreter (§§ 81 Abs. 1, 86 Abs. 1 NKomVG), Vertretung bei der Außenvertretung (Unterscheidung von Vertretungsmacht und Geschäftsführungsbefugnis/Zuständigkeit) allgemeiner Stellvertreter (§ 81 Abs. 3 NKomVG)

 -        Vertretung in Organen von Drittorganisationen (insbesondere Gesellschafter-, Mitgliederversammlungen, Aufsichtsräte) fällt nicht unter § 86 (§ 86 Abs. 1 Satz 3 NKomVG); s. § 138 Abs. 1 NKomVG.

 Rechte und Pflichten der Ratsmitglieder

 -        Antragsrecht unmittelbares Mitgliedschaftsrecht muss nicht verliehen werden und setzt voraus, dass der Gegenstand, zu dem ein Antrag gestellt werden soll, auf der TO steht, weshalb das Antragsrecht das Recht umfasst, verlangen zu können, dass ein Gegenstand auf die TO gesetzt wird; Ausübung geregelt in § 56 Satz 1 NKomVG. Umfang des TO-Rechts: Pflicht des HVB, den beantragten Gegenstand ohne „Wenn und Aber“ (Grenze: Missbrauch und Schikane) auf die TO zu setzen, Einbringungsrecht des Antragstellers (d. h. kurze Begründung, warum sich das Gremium mit der Angelegenheit beschäftigen soll), Freiheit des Gremiums bezüglich des weiteren Verfahrens, kein Anspruch des Antragstellers auf Behandlung und Entscheidung in der Sache.

Frage: Haben Fraktionen das Antragsrecht?

-        Fragerecht zu allen Angelegenheiten der TO ist unmittelbares Mitgliedschaftsrecht und folgt aus der Verpflichtung, nach bestem Wissen zu beschließen (§ 60 NKomVG); Verpflichtung des HVB zur Vorbereitung (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NKomVG). Außerdem zu allen Angelegenheiten der Kommune (§ 56 Satz 2 NKomVG), zu denen auch Steuerangelegenheiten, bei denen nur die unbefugte Offenbarung verboten ist (Abgeordnete sind durch § 56 NKomVG befugt!)  und die einer Gesellschaft gehören, deren sich die Kommune zur Erledigung ihrer  Angelegenheiten bedient

 -        Akteneinsicht als Kontrollrecht des Rates (§ 58 Abs. 4 NKomVG), ausübungsberechtigt: Neben dem Rat ein Viertel der Ratsmitglieder und eine Fraktion/Gruppe bei Angabe eines konkreten Überwachungszwecks; grundsätzlich kein Akteneinsichtsrecht in Personalakten (Sonderregelungen im NBG), aber wie beim Fragerecht in Steuerakten

 -        Rederecht als unmittelbares Mitgliedschaftsrecht, dessen Ausübung durch die Geschäftsordnung geregelt werden kann (z. B. Redezeiten, Schluss der Debatte, Entzug des Rederechts bei Abschweifungen)

 -        Verschwiegenheitspflicht (§ 40 NKomVG), wenn gesetzlich vorgeschrieben oder der Natur der Sache nach erforderlich; dienstliche Anordnung nur durch Dienstvorgesetzten, den Abgeordnete nicht haben, wohl aber ehrenamtlich Tätige; Sanktion bei Verstoß: Ordnungswidrigkeitsverfahren §§ 40 Abs. 2, 39 Abs. 2 NKomVG oder Missbilligung durch die Vertretung

 -        Mitwirkungsverbot (§ 41 NKomVG) hat an Bedeutung verloren durch Nichtanwendbarkeit auf Angelegenheiten nach § 41 Abs. 3 NKomVG sowie des Kriteriums der Unmittelbarkeit des Vor- oder Nachteils (§ 41 Abs. 1 Satz1 NKomVG) mit einer Legaldefinition (§ 41 Abs. 1Satz 2 NKomVG). Zuvor schon: § 41 Abs. 6: Unwirksamkeit des Beschlusses nur bei    Entscheidungserheblichkeit der Stimme des Befangenen

 -        Entschädigung §§ 55, 44 Abs. 1, 3 NKomVG und empfehlender Erlass des MI v. 10.5.2016 MBl. S. 562

 Fraktionen, Gruppen

 -        Definition: Zusammenschlüsse von zwei oder mehr Abgeordneten (§ 57 Abs. 1 NKomVG); Näheres in der Geschäftsordnung (§ 57 Abs. 5 NKomVG): Da identische Rechte und Pflichten sollte die Bezeichnung den Zusammenschlüssen überlassen bleiben

 -        Funktion: § 57 Abs. 2 NKomVG

 -        Ausstattung: § 57 Abs. 3 NKomVG (Zuweisungen)

 -        Rechte: Ausdrücklich in § 58 Abs. 4 NKomVG (Akteneinsicht), § 71 Abs. 2 Satz 4, Abs. 8 Satz 4, § 75 Abs. 1 NKomVG (Besetzung von Fachausschüssen und VA, überdies alle Rechte, die auch ihre Mitglieder haben. Gerichtlich geltend machen können Fraktionen/Gruppen aber nur die Verletzung eigener Rechte, nicht die ihrer Mitglieder

 Einberufung

 -        Zuständig HVB (§ 59 Abs. 1) schriftlich oder durch elektronisches Element (Problem der Ladung durch Ratsinformationssystem); bei Ausschüssen im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden (§ 72 Abs. 3 NKomVG)

 -        Aufstellung der TO im Benehmen (nicht Einvernehmen!) mit dem Vorsitzenden (§ 59 Abs. 3 Satz 1 NKomVG); Wirksamkeit der Einberufung auch bei Nichtbeteiligung.

 -        Dringlichkeitsanträge (§ 59 Abs. 3 Satz 5 NKomVG müssen (gerichtlich überprüfbar!) dringend sein, d. h. zur Vermeidung nicht wieder gutzumachender Nachteile keine Möglichkeit der Einberufung zu einer Sondersitzung; Zweidrittelmehrheit ist eine zusätzliche Voraussetzung.

 Beschlussfähigkeit (§ 65 NKomVG): Wenn nach ordnungsgemäßer Ladung die Mehrheit der Mitglieder anwesend ist oder alle anwesend sind und niemand die Ordnungsmäßigkeit rügt (§ 65 Abs. 1 NKomVG. Bei fehlerhafter Ladung und Anwesenheit der Mehrheit hilft nicht, dass niemand rügt. Beschlussfähigkeit bleibt bestehen, solange sie nicht angezweifelt wird – der anzweifelnde Abgeordnete, der den Sitzungsraum verlassen hat, zählt seit NKomVG nicht mehr zu den Anwesenden!

 Öffentlichkeit von Sitzungen

 -        Grundsatz für die Vertretung: Grundsätzlich Öffentlichkeit (§ 64 Abs. 1 NKomVG):  als Ausfluss des Demokratieprinzips („Die Bürger sollen sehen, wie die von ihnen Gewählten agieren“); Ausnahmen: Gefährdung des öffentlichen Wohls oder der berechtigten Interessen Einzelner. Folge eines Verstoßes gegen das Öffentlichkeitsgebots: Unwirksamkeit des Beschlusses. Bild-, Ton- und Filmaufnahmen (§ 64 Abs. 2)

 -        Fachausschüsse: Regelung durch die Geschäftsordnung (§ 72 Abs. 1 NKomVG): Öffentlich oder nicht öffentlich oder teilöffentlich (Ausschluss der Öffentlichkeit für „heikle“ Angelegenheiten)

 -        Hauptausschuss: Generelle Nichtöffentlichkeit, aber Ratsöffentlichkeit (§ 78 Abs.2 NKomVG). Bedeutung der Nichtöffentlichkeit des Hauptausschusses: Verschwiegenheitspflicht nur, soweit der Beratungsgang und das Abstimmungsverhalten betroffen sind, im Übrigen, wenn die Sache im Rat nicht öffentlich verhandelt werden müsste.

 Beschlüsse

-        kommen durch Abstimmung ( § 66 NKomVG) oder durch Wahl zustande (§ 67 NKomVG)

 -        Abstimmung: Mehr Ja- als Nein-Stimmen; keine Einstimmigkeit bei Enthaltungen

 -        Wahl: Ist darauf angelegt, zu einem Ergebnis zu kommen, deshalb im ersten Wahlgang absolute Mehrheit, im zweiten Wahlgang die meisten Stimmen – festzustellen sind also nur die Stimmen, die auf den Bewerber entfallen sind.

 Protokoll (§ 68 NKomVG)

Gesetzlich sind Protokollierung des wesentlichen Inhalts der Verhandlungen und Beschlussergebnisse vorgeschrieben. Wesentlicher Inhalt: Zeit und Ort, Eröffnung und Schließung, Öffentlichkeit und ihr Ausschluss, Teilnehmer, Beschlussfähigkeit, TOPe, Anträge, Ergebnisse, Ausschluss von der Mitwirkung (§ 41), Ordnungsmaßnahmen des Vorsitzenden. Protokollierung der Wortbeiträge ist nicht gefordert. Genehmigung sollte vorgeschrieben werden.


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